Geheimnis im Kloster by Victoria Holt

Geheimnis im Kloster by Victoria Holt

Autor:Victoria Holt [Holt, Victoria]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2014-04-16T16:00:00+00:00


***

Als ich verwirrt, mit aufgelöstem, taunassem Haar zum Haus zurückschlich, dämmerte bereits der Morgen. Bruno winkte mir von der Pforte aus nach, bis ich am Eingang angelangt war. Dann erst wandte er sich dem Fluss zu.

In der Halle blieb ich eine Weile an die Wand gelehnt stehen.

Was für ein herrliches Abenteuer doch das Leben sein konnte. Ich hatte einen Gipfel des Glückes erreicht, von dem aus ich weder vorwärts noch rückwärts schauen wollte. Es genügte mir, daß ich dort oben saß, und ich rief mir jede Minute unseres wundersamen Beisammenseins, unsere Flüsterworte und Küsse, unser Sehnen und unsere Erfüllung ins Gedächtnis zurück.

Bruno war wie ein junger heidnischer Gott; kein anderer kam ihm gleich. Und dieser einzigartige Mann liebte mich – er gehörte mir, wie ich die seine geworden war.

Auf dem Treppenabsatz tauchte eine Gestalt auf: ich blickte in die kalten Raubtieraugen Simon Casemans.

»Aha«, sagte er beherrscht, aber mit jedem Worte Gift versprühend, »die junge Dame ist nachts unterwegs wie eine gewöhnliche Hure.«

Er trat vor, als ich an ihm vorbei die Treppe hinauflaufen wollte, und streckte die Hand aus. Schon erwartete ich eine saftige Ohrfeige, aber er pflückte lediglich ein paar Halme aus meinem Haar.

»Sieh mal an. Du hättest dir auch ein bequemeres Bett wählen können«, setzte er zynisch hinzu. Wieder versuchte ich, an ihm vorbeizugelangen, aber er streckte den Arm aus.

»Halt. Immerhin bin ich dein Stiefvater und damit dein gesetzlicher Vormund. Ich wünsche, daß du mir eine Erklärung für dein schamloses Betragen gibst.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»Glaubst du, ich lasse dir das durchgehen? Zum Narren kannst du mich nicht halten. Ich weiß genau, was passiert ist.«

»Dann ist es ja gut.«

Simons Augen verengten sich. »Und ich darf dann für den Unterhalt deiner Bälger aufkommen, was?«

Ein plötzlicher Wutanfall ließ mich die Hand erheben, aber er kam mir zuvor und hielt meinen Arm fest.

»Untersteh dich, du Schlampe, du liederliches Frauenzimmer«, sagte er laut.

»Wenn Ihr weiter so schreit, werdet Ihr das ganze Haus aufwecken.«

»Sollen sie ruhig wissen, was für ein Flittchen die keusche Damascina ist. Geht mit jedem Mann ins Bett, der nur mit dem Finger winkt …«

»Ihr zumindest habt vergeblich gewunken, mein Herr.«

»Na warte, ich werde dich lehren …« Ich sah die Begierde in seinen Augen aufglimmen und bekam Angst. »Wenn Ihr mich nicht sofort loslaßt, schrei ich das Haus zusammen und sage, Ihr wolltet mich vergewaltigen. Mal sehen, wem von uns beiden man mehr glaubt.«

»Du Bestie«, zischte er, aber doch erheblich leiser. »Dir wäre das zuzutrauen.« Ich sah, daß meine Drohung ihren Zweck erfüllte, denn er ließ von mir ab. Sofort sprang ich ein paar Stufen hinauf, so daß ich nun höher stand als Simon Caseman.

»Und dabei erfülle ich nur meine Pflicht.« Er starrte mich gehässig an.

»So wie Ihr meinem Vater gegenüber Eure Pflicht erfüllt habt?«

»Undankbares Geschöpf! Wenn ich dir nicht gestattet hätte, unter meinem Dach zu wohnen, wärst du jetzt in der Gosse. Wenn ich nicht gewesen wäre …«

»… lebte Vater heute noch«, fiel ich ihm ins Wort.

Simon prallte zurück. Ich dachte: Es ist wahr, meine Ahnung hat mich nicht getäuscht! Simon war es also, der Vater angezeigt hat.



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